Was ist reziprokes gitter?

Reziprokes Gitter

Das reziproke Gitter ist ein mathematisches Konstrukt, das in der Festkörperphysik und der Kristallographie eine wichtige Rolle spielt. Es ist eng mit dem realen Raumgitter eines Kristalls verbunden und hilft, Beugungsmuster, wie sie beispielsweise bei der Röntgenbeugung entstehen, zu verstehen und zu analysieren.

Definition:

Das reziproke Gitter ist ein Satz von Vektoren in einem Vektorraum, der zum realen Raumgitter dual ist. Das bedeutet, dass jeder Vektor im reziproken Gitter orthogonal zu bestimmten Ebenen des realen Raumgitters ist. Genauer gesagt ist ein Vektor G im reziproken Gitter gegeben durch:

G = hb₁ + kb₂ + lb₃

wobei h, k und l ganze Zahlen sind (die Miller-Indizes) und b₁, b₂ und b₃ die Basisvektoren des reziproken Gitters sind. Diese Basisvektoren sind über die Basisvektoren des realen Gitters (a₁, a₂, a₃) wie folgt definiert:

  • b₁ = 2π (a₂ × a₃) / V
  • b₂ = 2π (a₃ × a₁) / V
  • b₃ = 2π (a₁ × a₂) / V

wobei V das Volumen der Einheitszelle des realen Raumgitters ist (V = a₁ ⋅ (a₂ × a₃)). Der Faktor 2π wird oft weggelassen, insbesondere in theoretischen Berechnungen.

Bedeutung und Anwendungen:

  • Beugung: Die Vektoren des reziproken Gitters entsprechen den möglichen Bragg-Reflexionen bei der Beugung von Wellen (z.B. Röntgenstrahlen, Elektronen oder Neutronen) an einem Kristall. Die Ewald-Kugel ist ein geometrisches Konstrukt, das verwendet wird, um vorherzusagen, welche Bragg-Reflexionen für eine bestimmte Wellenlänge und Kristallorientierung auftreten werden. Ein Beugungspeak tritt dann auf, wenn ein Vektor des reziproken Gitters die Ewald-Kugel schneidet.

  • Brillouin-Zone: Die Brillouin-Zone ist die Wigner-Seitz-Zelle des reziproken Gitters. Sie spielt eine zentrale Rolle in der Festkörperphysik, insbesondere bei der Beschreibung von elektronischen Bandstrukturen und Phononen. Die erste Brillouin-Zone ist der Bereich des k-Raums, der näher am Ursprung des reziproken Gitters liegt als an jedem anderen Gitterpunkt.

  • Elektronische Bandstruktur: Das reziproke Gitter ist der Raum, in dem die Wellenvektoren der Elektronen im Kristall definiert sind. Die Bandstruktur eines Festkörpers, d.h. die Beziehung zwischen der Energie und dem Wellenvektor der Elektronen, wird typischerweise in Bezug auf das reziproke Gitter dargestellt.

  • Gitterebenen: Ein Vektor G im reziproken Gitter steht senkrecht zu einer Familie von Gitterebenen im realen Raum mit Miller-Indizes (hkl). Der Betrag von G ist umgekehrt proportional zum Abstand zwischen den Ebenen.

  • Einfache Strukturen: Das reziproke Gitter eines einfachen kubischen Gitters ist wieder ein einfaches kubisches Gitter. Das reziproke Gitter eines bcc-Gitters (körperzentriert kubisch) ist ein fcc-Gitter (flächenzentriert kubisch) und umgekehrt.

Zusammenfassung:

Das reziproke Gitter ist ein fundamentales Konzept in der Festkörperphysik und Kristallographie. Es ermöglicht das Verständnis und die Analyse von Beugungsphänomenen und ist unerlässlich für die Beschreibung der elektronischen und dynamischen Eigenschaften von Kristallen.